Als übereifrige ich-möchte-die-beste-Version-von-mir-so-schnell-es-geht Mensch, musste ich akzeptieren, dass die größten und bedeutsamsten Entwicklungen am längsten brauchten. Und obwohl es so viele viel-versprechende Angebote von Reiki, EMDR, Sabbat, Meditation, Hypnose, Tageskliniken, Psychotherapie, Medikation, etc. etc. gibt, kann man selbst dann auch nicht von heute auf morgen eine vollständige Integration der neuen und besseren Version vom Selbst erwarten. Egal wie viel Geld man hat. Auch wenn man sich die hoch-kaliber Coaches leisten kann. Ganz im Gegenteil, ich habe mir das Leben umso schwerer gemacht dadurch, dass ich ungeduldig war.
Nicht freiwillig habe ich mich in dem ungemütlichen schwarzen und unsicheren Loch des Tiefpunktes begeben, ich musste auf die Härte lernen zu fallen. Das heißt fallen mit dem Ziel auf den Boden irgendwann aufzuklatschen, denn erst danach kommt das Bergauf. Dadurch, dass ich mich dem Prozess mit den Therapiealternativen verkürzen wollte, blieb ich quasi halbwegs im Fallen stecken und kam weder weiter runter noch weiter oben. Das Leid hat sich verlängert, der Prozess verzögert, der Schmerz beim Aufprall war nicht weniger schmerzhaft. Sieh es so, bis zum Boden sind alle paar Zentimeter eine Erkenntnis, eine Lösung, ein Milestone. Sieh es als Sammelmünzen, die dann, beim vorbeirutschen sich in eine Treppe umwandeln. Man weiß nicht wie viele es sind, aber erst wenn du den Boden erreichst, hast du alle gesammelt und kannst die Treppe hoch klettern und in die nächste Phase laufen. (Ja okay, ich hab echt zu viel gezockt in letzter Zeit)
Das heißt, fallen mit dem Ziel auf den Boden irgendwann aufzuklatschen.
In der schnelllebenden Welt von heute ist es leicht im Irrglauben zu fallen, dass die Neuzeit-Erleuchtung nur ein paar Klicks oder Scheine entfernt ist. Es sieht fast so aus als hätten die Leute aus dem Reels es in wenigen Monaten „geschafft“. Man wird von Weisheiten und Erfolg-Reels bombardiert. Es weckt den Anschein, dass alle vorwärts kommen. Es ist eine Königsdisziplin dabei sich lediglich inspirieren zu lassen ohne sich zu vergleichen oder diesen unrealistischen Anspruch an dem Selbst zu halten. Es ist ein Irrtum und ich bin mir sicher, dass ich hier nicht alleine bin. Oder vielleicht bin ich das, aber jetzt mit dir sind wir vielleicht zu zweit 😉
Lass mich mal erleuchten, was so etwas beispielsweise WIRKLICH dauern kann anhand meiner Story (ich spreche hier von Alter):
- Mutterwunde
von 5 bis 24 J. - Somatoforme chronische Mandelentzündung
von 10 bis 22 J. - Bulimie-Essstörung
von ca. 14 bis 26 J. (mit Übergang in Binge-Eating von ca. 26 bis 29 J.) - Schädlicher Gebrauch von Alkohol
ca.20-28 Jahren (kritische Phase: 23-26 J.) – hier kamen auch andere Drogen kurz ins Spiel - Borderline-Persönlichkeitsstörung
von ? bis 28 J. - Surf-Trauma
von 24 bis 35 J. - Betrayal-Trauma / Anxious Attachment
? bis 36 J. (heute bei vrmtl. 50% ?) - Vaterwunde
von 16 bis 36 J. (heute bei vrmtl. 80% ?)
Es dauert! Traumata zu heilen dauert, Störungen zu lösen dauert, Blockaden zu beheben dauert, Muster zu durchbrechen dauert!
Das sind nur ein paar Beispiele. Es ist mir wichtig zu unterstreichen, dass wir alle unterschiedlich sind und jeder sein eigenes Tempo für verschiedenen Themen hat. Abgesehen davon, dass diese Kategorisierung nur helfen um überhaupt einen Lösungsansatz zu haben. Ich hab bei vielen, wie bei der BPD, nicht alle Kriterien erfüllt – es ist ja nicht alles so schwarz-weiss *zwinker*. Nichtsdestotrotz es DAUERT! Traumata zu heilen dauert, Störungen zu lösen dauert, Blockaden zu beheben dauert, Muster zu durchbrechen dauert! Es ist – JA – eine Lebensaufgabe und es wird auch nie aufhören. Denn nicht alles stammt nur aus der Kindheit, manches stammt auch aus späteren Phasen.
Erfreue dich mit jedem Schritt und mit jedem Erfolg, egal wie minimal es sein mag! Und genieße ihn so oft es geht!
Ich könnte allein pro Beispiel ein ganzes Buch schreiben an Erkenntnissen, die ich pro „Störung“ mitnahm. Um bei dem Beispiel von vorher zu bleiben, jedes Loch (also Problematik) besteht aus vielen Münzen (Erkenntnissen) und selbst diese Erkenntnisse sind wie Zwiebel die aus unterschiedlichen Schichten bestehen. Und die Münzen sind mit Münzen aus anderen Löchern vernetzt.
Folgt ihr noch? Ich konkretisiere es mal. Zum Beispiel: Thema Grenzen. Spielte in fast allen o.g. Herausforderungen eine Rolle, jedoch auf unterschiedlicher Ebene. Grenzen zu respektieren ist anders als eigene Grenzen zu setzen. Grenzen gegenüber einem Arbeitskollegen ist anders als Grenzen gegenüber Freunde, Familie und Partner. Versteht ihr? Manchmal haben wir Glück und wir sammeln in einem Zug alle Lektionen, manchmal dauerts. Das ist vollkommen OK!
Denk an einem Leistungssportler. Wenn er an den olympischen Spielen teilnehmen möchte, ist Hochleistung der Mindestmaß. Wenn er nicht trainiert, bereitet er seinen Geist und Körper über Nahrung, Schlaf und weitere Bereiche vor. Heilung ist komplexer. Sie geht nicht linear nach oben. Sondern es geht mal hoch, mal runter, dann vorwärts und rückwärts. Und bei jedem ist es anders. Olympische Heilung gibt es nicht. Geschwindigkeit, Kraft oder Perfektion bringen kaum was. Motivation, Selbstliebe und sichere Bindungen eher. Leider gehören auch die Tiefen einfach dazu!
Es ist nicht mein Anliegen dir Hoffnung zu nehmen. Ganz im Gegenteil. Es ist mein Anliegen in dir Vertrauen in dir selbst und an Gott zu inspirieren. Dass du tief atmest und dir Zeit und Geduld schenkst. Dir die paar Schritte zurück verzeihst und nie an dir selbst aufgibst, auch wenn es mal länger dauert.
Es kommt wie es kommt.
Eine wichtige Lektion für mich war tatsächlich: zurücklehnen und zulassen, dass das Leben auch sein Anteil macht. Man kann es nicht erzwingen. Natürlich geht es um die Balance. Wer nur auf dem Sofa hockt und hofft, dass die Zeit alleine alle Wunden heilt, wird irgendwann böse aufwachen müssen (oder nicht und sein Leben in seiner eigenen geschaffenen Matrix verschwenden). Ja, wir müssen unsere Arbeit tun. ABER, wir können die Geschwindigkeit nicht forcieren. Es kommt, wie es kommt.
Schenke dir Zeit!
Schenke dir für hier und jetzt Radikale Selbstakzeptanz und lebe! (Dazu mehr in einem anderen Artikel)
Zurücklehnen und zulassen, dass das Leben auch sein Anteil macht.