Herz pocht. Gedanken kreisen. Das Wasser und der Himmel scheinen sich bräunlich/grau zu tönen. Eine Mini-Pups „Welle“ von 20 cm (zählt das überhaupt noch?) versetzt mich in totaler Panik, ich vergesse zu atmen und erlebe alleine durch meine Angst eine umso schlimmeren „Wipe-Out“ (ja…man kann auch bei kleinen Wellen einiges an Wasser schlucken bzw. das ganze extrem verschlimmern).
WARUM tue ich mir das an?
Weil da etwas im Meer ist, was ich noch lernen soll. Das weiß Ich. Ein starkes Gefühl. Weil, wenn es klappt, dass eins der größten Erlebnisse ist. Weil ich surfen liebe. Weil ich den Ozean liebe. Und weil ich mich liebe.
Und ich nicht aufgebe.
Surfspiration
Ich erinnere mich an einer Zeit, als ich anfing surfen zu lernen, da war ich furchtlos. Da hatte ich auch bei 2 m WipeOuts Spaß. Doch irgendwann geschah etwas. Und von einem Jahr zum nächsten, überholte mich die Angst. Plötzlich war Surfen nur eine Überwindung.
Zehn Jahre hat das gedauert. Zehn Jahre wo ich bis zum Strand fuhr und dann manchmal sogar ohne ins Wasser zu springen, zurückfuhr. Zehn Jahre wo ich manchmal so frustriert mit mir selbst war, dass ich vor, während und nach dem Surfen geheult habe. Wo ich Todesangst, als die Welle kam, erlebte. Und dann immer und immer wieder ins Wasser ging. Langsam gelernt hatte, mich im Selbstvertrauen zu üben. Langsam gelernt hatte, die Wellen auszuwählen. Langsam gelernt hatte, dass ich hier wählen kann, wann ich ins Wasser gehe und wie weit.
Warum hab ich das mir immer angetan?
Zum Einen war es die Herausforderung. Ich wollte meine Angst überwinden. Und damals hatte ich auch den Verdacht, dass es etwas mit Kontrolle zu tun hat…heute weiß ich, dass das mein Thema ist/war – und auch das meiner Mutter (damit verbunden auch das Loslassen, den (Ur-) Vertrauen, Hingabe und Gefühl…da komme ich aber später darauf zu).
Und tatsächlich, wenn dein winziger Körper im riesen weiten Meer vor sich her schwimmt und du die Macht des Wassers auch nur anteilig wirklich zu spüren bekommst…glaube mir. Die Kontrolle, die du über die Situation hast ist gleich Null. Die einzige Kontrolle, die du hast, ist über dich selbst. Dein Atmen, deine Gedanken, deine Reaktion.
Ride the Wave. Or don’t.
Über die Jahre habe ich ununterbrochen versucht über meine Gedanken meine Angst zu kontrollieren. Schau mal Estrella, das sind nur 20 cm. Das ist nichts! Da kann nichts passieren. Das funktionierte nur anteilig. Gleichzeitig versuchte ich zu verstehen, woher die Angst kam. Was ist passiert? Wovor fürchtete ich mich wirklich? War es das Ertrinken? Die Strömung? Die vielen anderen Menschen? Die vielen anderen Brettern? Das Weißwasser? Die Tiefe? Lange versuchte ich über die rationale Ebene mein Gefühl zu verstehen.
Bis heute weiß ich nicht, was dahinter steckte. Und die große Lektion: man muss es nicht alles wissen, oder erklären!
Manchmal muss man einfach fühlen.
„Sensation without Explanation“ -Russel Kennedy
„Wahrnehmung ohne Erklärung“
Mir hat tatsächlich eine Kombination von hauptsächlich drei Sachen geholfen: Atmen, Fühlen und Gewöhnung.
Atmen: Mein Körper ist mein Kompass und ich habe gelernt, die Zeichen meines Körpers zu deuten und zu interpretieren. Atmen ist bei mir primär. Beim Surfen kam es vor, dass ich einfach aufhörte, ohne es zu merken (kein Wunder, dass ich dann unter Wasser Atemnot erlitt). Atmen. Im Kopf wiederholt und getan. Viel besser!
Fühlen: Die Gefühle, die ich hatte habe ich irgendwann gelernt einfach wahrzunehmen und zu akzeptieren. Egal ob die rational oder nicht waren. Ob die erklärbar waren oder nicht. Ich saß mit der tiefen schmerzhaften Angst, erstmal im Strand und dann im Wasser. Und nahm die voll an, ohne zu urteilen und ohne mich darin zu verlieren. Sanft mit mir selbst, tröstend fast. Kaum zu glauben, aber dadurch dass ich die Emotion zuließ anstatt zu verdrängen, wurde sie tatsächlich weniger schlimm.
Gewöhnung: Last, but not least, ging es darum mich an der Situation ranzutasten. Geduld und Zeit forderte das ein. Wo ich mal 2m Wellen surfte, musste ich mich jetzt mit 20cm Wellen zufrieden geben. Wo Freunde viel später als ich anfingen und nun schon voll dabei waren, kämpfte ich weiterhin mit meinen 20cm Wellchen. (Verstehe mich nicht falsch…ich LIEBE kleinen Wellen!). Das erforderte wirklich höchste Selbstliebe mir gegenüber. Hier habe ich auch gelernt, was der Unterschied zwischen „sich Inspirieren lassen“ und „sich vergleichen“ ist. Naja, auf jeden Fall fing ich dann sehr klein an. Und irgendwann waren mir die 20cm Wellchen etwas langweilig, bzw. ich war hier in meiner kompletten Komfortzone, liebte sie und war auch neugierig eine vielleicht 40cm Welle zu nehmen. Denn mein Ziel blieb vor Augen: absoluten Spaß bei auch 2m Wellen wieder zu finden (größer brauch ich nicht). Und so machte ich langsam weiter. Tag für Tag. Schritt für Schritt. Welle für Welle. Noch bin ich dabei. Aber ich kann wirklich so glücklich sagen, dass ich inzwischen bei 1.50m bin und diese total abfeiere. Über mich selbst zu lachen hat übrigens auch gut geholfen…man muss sich selbst echt nicht immer so ernst nehmen.
Tja! Und das war es! Nachdem ich auch mehrere Bücher und stundenlange Podcasts hörte, hab ich auch die Mechanismen dahinter besser verstanden und kann jetzt diese „Panik“ auch in anderen Bereichen gut steuern und mein Leiden dadurch so weit wie möglich reduzieren.
Wenn der Wille da ist, glaube mir! Irgendwann, Irgendwann…kommt ihr auch dahin!
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Viel Spaß!