Am 1. Januar des neuen Jahres 2023 kam eine verwundete Morgenammer in mein Leben. Der Schwanz fehlte und im Nacken wurden die Federn so stark gerupft, dass man Teile des Schädels sehen konnte. An einer Seite am Auge blutete es stark, das andere Auge kriegte sie auch kaum auf.
Ich nahm sie natürlich auf und verbrachte den ganzen Tag mit ihr, hab wie wild nach möglichem Futter gegoogelt und in der Küche gewühlt, Reiki gegeben und gewartet. Sie schien sich wohl zu fühlen, hüpfte von Finger zu Finger und wurde mit der Zeit immer munterer. Dann aß sie auch was und trank Wasser, wie mein Herz erblühte, wie ich jubelte! Am nächsten Tag, am 2. Januar, war sie auch schon wach, ich beobachtete sie während sie auf meinem Finger saß und plop! Da brütete sie tatsächlich ein Ei! Ein kleines wunderschönes türkisblaues Ei mit kleinen Pünktchen. Wer erlebt denn schon so etwas? Sie hüpfte auf meine Schulter und mein Kopf und flog auch ein bisschen rum. Als sie fiel fing ich sie rechtzeitig. Wie ich sie ins Herz schloss!
„Sie stirbt eh“, meinte meine Tante. Mein Herz sank, aber ich wollte nicht aufgeben, und verbrachte viel Zeit mit ihr. Ich taufte sie „Piepsmaus“ obwohl sie kein Laut machte. Am zweiten Abend wusste ich jedoch, sie wird wahrscheinlich sterben. Ihr Kot wurde flüssiger und bräunlicher, etwas stimmte nicht. Irgendwann wollte sie auch nicht mehr essen. Mein Herz sank tiefer. In der Stadt wo ich war gab es keine Tierärzte, die sich mit Vögeln auskannten. Und auch keine Geschäfte mit spezieller Nahrung. Kein Geld der Welt hätte was im Moment geholfen. Mein Gefühl der Ohnmacht in dieser Situation wurde immer deutlicher, und ich ärgerte mich, dass ich kein Spezialfutter aus Deutschland hergebracht hatte. Dass ich keinen Tierarzt, am liebsten Dr. Pol, persönlich kannte. Dass Google keine Antworten hatte.
So saß ich am Boden mit der kleinen Piepsmaus und ergab mich dem Gefühl des Verlustes. Ich entschuldigte mich vorm Vögelchen, dass ich nicht mehr tun konnte. Während ich sie sanft streichelte bedankte ich mich von tiefem Herzen für die wunderschönen zwei Tagen, für ihr Geschenk. So viele Emotionen und so viele Erlebnisse. Was so ein kleines Wesen bewirken kann. Ich weinte vor Liebe und war einfach froh, dass sie in meiner Obhut sterben könnte anstatt draußen auf der Straße. Vor dem Schlafengehen, plusterte sie sich noch in meiner Hand auf und legte ihr Kopf zur Seite. Sie war wahrscheinlich müde und bereit zu gehen. Ich spürte sie, verbindete mich mit ihr und gab ihr sanft Reiki während Tränen mein Gesicht runterkullerten.
Um drei Uhr, vom Alptraum geweckt worden, guckte ich nach ihr. Sie sei verstorben. Ich hielt ihr kleiner kalter Körper in meiner Hand, streichelte ihre weichen hübschen Feder (sie war so seidenzart!) und beerdigte sie im Garten. Natürlich trauerte ich eine gute Portion danach. So gerne hätte sie doch mit mir ins Bett gebracht, damit sie in meinen Händen verstirbt.
Ich weiß, dass sie absichtlich in mein Leben kam. Das sei ein Götterbote, ein Spirit, ein Zeichen gewesen. Ein Zeichen der Hoffnung, der Freude, der Freiheit, der Verbundenheit. Dass sie nicht singen konnte, hat auch seine Bedeutung. Die Daten, Uhrzeiten und mein paralleler Alptraum sind auch keine Zufälle gewesen. Dass sie so zerschmettert war, so kaputt und verwundet, und doch vollkommen. So klein jedoch so stark. Ich sah mich selbst in dieser Morgenammer und wollte so sehr, dass ich diesmal ein Vogel fliegen sehe. Doch das sollte nicht die Botschaft sein. Und das ist auch okay so. Geliebt habe ich sie mit vollstem Herz. Am Tag der Heiligen Katharina, zeigte mir Mutter Erde ihre verschiedensten Seiten: das Rad des Lebens. Und zeigte damit der Segen und Licht.
Ein paar Erkenntnisse teile ich hier:
Mir ist klar geworden, auch wenn wir uns noch so klein fühlen und sind, können wir viel berühren.
Mir ist klar geworden, auch wenn ich von Anfang an wusste, sie würde sterben, hätte ich sie genauso ins Herz geschlossen, der Schmerz des Verlustes ist es mir jedes Mal Wert.
Ist es nicht erstaunlich wie unendlich die Quelle der Liebe ist, wie wir Menschen diese Gabe haben so viel zu lieben?
Ich bin dankbar, dass ich die Stärke habe das anzunehmen.
Ich bin unfassbar dankbar, dass ich so verbunden mit der Erde und mit den Lebewesen bin. Dass ich diese Mut meiner Kindheit nicht verloren habe (auch als Kind hab ich stets versucht allesmögliche, sogar Kakerlaken und Ameisen, zu retten und konnte stundenlang sie beobachten! Einmal sah ich sogar eine Schnecke beim Eierlegen, da war ich neun!!)
Und noch was steht fest, wenn ich in Deutschland bin werde ich ein Kurs in Vogel-Fürsorge machen und reichlich Vogelfutter bringen. Vielleicht kommt. nochmal ein Vogel zu mir geflogen und ich darf sie beim wegfliegen zuschauen.
Wenn ich mit dieser kleinen Anecdote was weitergeben kann, dann ist es das: weder meine Tante noch mein Vater trauten sich dem Vogel zu sehr zu nähern. „Der wird eh sterben“ (also lohnt es sich nicht mit denen anzufreunden). Wände hochhalten und sich vom Trennungsschmerz schützen. Sich durch die Emotion des Trauerns nicht trauen. Das ist wohl deren Weg. Und das ist auch okay so. Wer weiß, was die durch deren Kindheit gelitten haben, und mein Mitgefühl haben sie. Doch dieser karmatischer Schmerz hört mit mir auf. Auch ihr habt die Wahl. Wenn ihr das tatsächlich überlegt, dann öffnet euch dafür. Es ist es wirklich Wert.
Ich hoffe für jeden der mit Verlust zu kämpfen hat, sei es ein Mensch, ein Tier oder Pflanze, eine Heimat oder Job, egal was…ich hoffe du findest deinen Weg durch dieser schmerzhaften Trennung und entdeckst das Sakrale, das Heilige daran. Dass du das heilige Prinzip der Verbundenheit, der Einheit und des Seins hinter aller Kreation und Schöpfung erkennst. Es gibt keine wahre Trennung und es gibt auch kein wahres Ende durch das Sterben. Das sind alles Musiknoten in einer großen Symphonie, die Symphonie des Lebens in der wir alle eine Rolle spielen. Der Tod gehört dazu, und auch hier gibt es Schönheit.